Vollkommen OK, Rüffel oder gar Abmahnung? Im Arbeitsrecht ist der Pfad zwischen Go und No-Go zuweilen recht schmal. Sind Sie sich über Ihre Rechte und Pflichten als Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer tatsächlich bewusst? Die folgenden drei Fälle könnten Sie ins Grübeln bringen.
Alexander W.* war seit vielen Jahren in einer Steuerberaterkanzlei angestellt. Er beschloss künftig selbstständig zu arbeiten, sein eigener Boss zu werden. Also verhandelte er mit seinem Chef einen Aufhebungsvertrag mit mehrmonatiger Auslauffrist. Während dieser Zeit erstellte er ein Profil im Karrierenetzwerk XING, setzte dort seinen Status auf „freiberuflich“ und erhoffte sich hier Kunden für seine nahende Selbständigkeit zu finden.
Als Alexanders* Chef der neue Status seines noch Angestellten auf XING auffiel, gefiel ihm das gar nicht. Für ihn war die Sache klar, sein Angestellter wirbt seine Mandanten ab um ihm als Selbstständiger den Rang abzulaufen. Die Konsequenz: Der Chef kündigte Aleaxander* fristlos, worauf dieser mit einer Klage vor Gericht reagierte.
Vor Gericht kam Alexanders* Chef mit der Klage nicht durch. Der Richter erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam. Die Änderung des XING-Profils in den Status “Freiberufler“ stelle ohne das Hinzutreten weiterer Umstände lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung für eine spätere Konkurrenztätigkeit dar. Entscheidend war in dem Fall, dass unter dem Punkt aktuelle Tätigkeit der Name der Steuerberaterkanzlei angegeben war. Außerdem hatte Alexander in der Rubrik „Ich suche“ keine Angabe gemacht, die auf die Gewinnung freiberuflicher Mandanten hingewiesen hätte.
Bogdan P.* arbeitete als Agent in einem Callcenter. Dort hatte er seinen eigenen Arbeitsplatz mit PC. Über diesen schrieb er regelmäßig Mails an seine Familie in Rumänien. Dass das Verschicken privater Mails am Arbeitsplatz laut seines Arbeitgebers nicht erlaubt war, war ihm schon klar. Fällt ja nicht auf, wenn man ab und an mal eine private Mail schreibt. Von den Überwachungsmaßnahmen seiner Vorgesetzten wusste er aber nichts. Von denen erfuhr er auch erst im Zusammenhang mit der Kündigung, die ihm bald darauf ins Haus flatterte.
In dem Moment als er das Kündigungspapier las, war er wahrscheinlich einerseits geschockt über die Kündigung aber sicher auch unangenehm berührt. Hatte er sich doch vor allem über Gesundheit und andere private Themen mit seiner Familie ausgetauscht.
Bogdans* Klage vor rumänischen Gerichten scheiterte: Sie befanden, das Unternehmen hatte im Rahmen des Arbeitsrechts gehandelt. Zu Unrecht entschied daraufhin der Europäische Gerichtshof. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betonte, dass bei der Kontrolle privater Kommunikation am Arbeitsplatz die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden müsse. Dies hätten die rumänischen Richter zu wenig berücksichtigt.
Bei dem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat Bogdan* gegen den Staat Rumänien geklagt und nun Recht bekommen. Andere EU-Länder sind zunächst nicht direkt von dem Urteil betroffen. Um nicht noch einmal vom Europäischen Gerichtshof zu verklagt zu werden, wird Rumänien aber seine nationale Gesetzgebung anpassen und die Kriterien für eine Mail-Überwachung am Arbeitsplatz entsprechend ausarbeiten.
Soll das nun heißen, dass die Kommunikation der Mitarbeiter im Unternehmen grundsätzlich nicht über wacht werden darf? Doch, sagt der Europäische Gerichtshof, definiert aber für derlei Maßnahmen genaue Richtlinien. Solche Kontrollen dürfen nur bei konkretem Verdacht gegen einen Mitarbeiter erfolgen. Zudem muss der Mitarbeiter vorher über Art und Ausmaß der Überwachung informiert werden. Weiterhin muss das Unternehmen dafür Sorge tragen, dass die über den Mitarbeiter gewonnen Informationen vor Missbrauch geschützt werden. Die Privatsphäre der Mitarbeiter ist vom Arbeitgeber zu achten.
Katrin J.* steckte mitten in den Abiturvorbereitungen als sie sich für eine Ausbildung in ihrem Traumberuf als Justizhauptwachtmeisterin in Berlin bewarb. Auf Ihre Bewerbung hin wurde sie erfreulicherweise zum Bewerbungsgespräch geladen. Die Ausbilder waren begeistert von ihren schulischen Leistungen, auch durch ehrenamtliche Tätigkeiten war sie positiv aufgefallen. Das sind doch großartige Voraussetzungen für Kathrin. Dennoch wurde Sie vom Arbeitgeber abgelehnt, wegen eines kleinen Tattoos in der Nähe ihres Handgelenks.
Zur Begründung führte er aus, die Tätowierung sei auch unter der Dienstbekleidung (z.B. durch Heben des Armes) sichtbar. Katrin* fühlte sich durch die Ablehnung aufgrund ihres Äußeren diskriminiert und klagte vor dem Berliner Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht Berlin prüfte, ob das Land Berlin eine Bewerberin für eine Ausbildung zurückweisen darf, weil sie ein kleines Tattoo am Handgelenk trug. Das Berliner Verwaltungsgericht (Beschluss vom 22. April 2015, Az. VG 36 L 83.15) hielt die Ablehnung für unberechtigt und verpflichtete den Dienstherrn zur erneuten Bescheidung. Zwar steht es diesem zu, bestimmte Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild zu stellen. Das gänzliche Verbot von Tätowierungen bedarf allerdings weiterer Begründungen.
Das Gericht stellte klar: Es muss berücksichtigt werden, dass Tattoos mittlerweile in Mode sind und daher gesellschaftlich anerkannt sind. Ein Verbot ist daher nur dann angebracht, wenn hierfür dienstliche Gründe sprechen. Die Tätowierung der Bewerberin war jedoch sehr klein. Außerdem ist das Tattoo-Motiv in diesem Fall nicht als Ausdruck einer gesellschaftlichen Haltung zu verstehen. Zumindest kleine und unauffällige Tätowierungen können daher im Normalfall nicht als Ablehnungsgrund im Rahmen einer Bewerbung herhalten.
* Namen durch die Redaktion geändert.
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