Folgendes ist Ihnen vielleicht auch schon mal passiert: Sie sitzen im Meeting mit dem Chef und Ihren Kollegen. Einer hat eine Idee, wirft sie in die Runde und der Chef ist hellauf begeistert. Sofort fallen Ihnen mehrere negative Konsequenzen für das Unternehmen ein, sofern tatsächlich eine Umsetzung dieser Idee stattfinden soll. Die Unterlippe zuckt, Ihr Fuß beginnt nervös zu tippeln, Sie sind kurz davor Kritik anzubringen, doch Sie sagen nichts. Denn vielleicht, so denken Sie, ziehen Sie sich den Unmut des Chefs zu, Sie überlegen ob Ihr Einwand unwichtig ist, oder Sie möchten nicht als Besserwisser da stehen. In manchen Fällen hätten Sie Ihrem Chef und seiner Firma damit aber eher einen Gefallen getan, als ihn nichtsahnend ins offene Messer laufen zu lassen.
Viele Menschen trauen sich am Arbeitsplatz nicht Vorgesetzte zu kritisieren oder auch mal „nein“ zu sagen, lassen sich auf diese Weise sogar mit diversen Extraaufgaben überfrachten. Doch woran liegt das eigentlich? Wie kann mir kollektives Achtsamkeitstraining bei der Kommunikation helfen? Und was bringt das eigentlich einem Unternehmer bzw. dem Unternehmen?
Achtsamkeit, bekannt aus der Jahrtausende alten buddhistischen Lehre, ist eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Ein klarer Bewusstseinszustand, bei dem ausschließlich der gegenwärtige Moment eine Rolle spielt. Dieser wird völlig wertungs- und vorurteilsfrei registriert und zugelassen.
Ein konkretes Alltagsbeispiel macht das Verständnis von Achtsamkeit einfacher: Stellen Sie sich vor Sie entdecken bei einem Spaziergang am Wegesrand eine Blume. Seien Sie achtsam, berühren Sie die Pflanze, nehmen Sie bewusst wahr wie sie sich anfühlt, welche Farbe sie hat, wie sie riecht. Sie bilden sich keine Meinung darüber, ob Ihnen die Blume gefällt oder erinnern sich zurück an eine ähnliche Blume. Sie nehmen ausschließlich den IST-Zustand, das "Jetzt", wahr.
Dieses Beispiel lässt sich ebenso auf viele andere Alltags- sowie Berufssituationen beziehen. Mit zunehmender Achtsamkeit reduzieren sich automatische und unbewusste Reaktionen auf das gegenwärtige Erleben, was zu einem hohen Maß an situationsadäquatem, authentischem und selbstbewusstem Handeln führt. Inzwischen ist die Achtsamkeitspraxis ein anerkanntes und beliebtes Hilfsmittel, um langfristig zu einer gesünderen Lebensführung zu gelangen. Auch in vielen Psychotherapien ist Achtsamkeit Teil der Behandlung.
Ein richtiggehender Trend sind derzeit Achtsamkeitsseminare, an denen Arbeitgeber ihre Beschäftigten teilnehmen lassen. Unternehmer erhoffen sich dadurch positive Effekte auf die psychische Konstitution ihrer Beschäftigten, wie beispielsweise eine Erhöhung der Stressresistenz. Die Achtsamkeitsübungen sollen außerdem zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit gegenüber Veränderungen im Arbeitsumfeld führen, durch deren Erkenntnisse sinnvolle Verbesserungsmaßnahmen im Unternehmen ergriffen werden können.
Durch individuelle Seminare wird allerdings immer nur eine Achtsamkeitsbildung für den Einzelnen bewirkt. Für Unternehmen ist es besonders wichtig die kollektive Achtsamkeit zu fördern. Diese macht es möglich Entscheidungs- und Kommunikationsroutinen in einer Organisation zu optimieren.
Im Berufsalltag gestalten sich Probleme fehlender Achtsamkeit konkret folgendermaßen: Jeder Einzelne in der Organisation konzentriert sich auf die Aufgaben der Vorgesetzten und dessen Erwartungen an ihn selbst, statt im „Hier und Jetzt“ zu agieren. Um niemanden in seinen Erwartungen zu enttäuschen wird das ein oder andere Störgefühl im Bauch missachtet. Unangenehme Situationen werden beschönigt, aus Angst ein schlechtes Licht auf sich selbst oder Vorgesetzte zu werfen.
Wenn man sich allerdings ohne zu werten in eine Situation begibt, wird es für jeden Einzelnen möglich wertvolle Beiträge in betriebliche Diskussionen zu bringen, ohne Angst vor Schuldzuweisungen haben zu müssen. Basis für solche offenen Diskussionen ist natürlich eine etablierte positive Fehlerkultur, die im gesamten Unternehmen gelebt werden muss.
Doch wie entsteht eine solche Kultur? Dies erfahren Sie im zweiten Teil des Artikels: Kollektive Achtsamkeit (Teil2) Eine Unternehmenskultur der Offenheit
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