Das fünfte Nachhaltigkeitsziel der UN: Geschlechtergleichheit
Die Vereinten Nationen haben eine ehrgeizige Agenda für nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die 17 Ziele umfasst, um bis 2030 eine nachhaltige, gerechte und inklusive Welt zu schaffen. Das fünfte Nachhaltigkeitsziel (SDG 5) ist besonders bedeutsam: "Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen".
Das Ziel von SDG 5 ist es, Geschlechterungleichheiten in allen Lebensbereichen zu beseitigen. Das Ziel ist klar: Frauen und Mädchen sollen die gleichen Chancen und Rechte wie Männern erhalte. Das klingt zunächst ja ganz simpel – ist es aber nicht. Selbst in Europa, wo die Gleichstellung bereits seit 1957 im EWG-Vertrag festgeschrieben wurde, sind wir noch ein ganzes Stück von echter Gleichberechtig entfernt.
Nicht von ungefähr hat die EU daher 2020 eine neue umfassende Strategie für die Gleichstellung vorgelegt. Die Argumentation liest sich so:
“Während die EU bei der Gleichstellung der Geschlechter weltweit führend ist und in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte erzielt hat, gibt es nach wie vor geschlechtsbezogene Gewalt und Stereotypen: Jede dritte Frau in Europa hat körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Obwohl mehr Frauen ein Hochschulstudium absolvieren, verdienen sie im Durchschnitt 16 % weniger als Männer, und nur 8 % der Vorstandsvorsitzenden der größten Unternehmen in der EU sind Frauen.”
Fünf Jahre hat sich die Gemeinschaft der europäischen Staaten Zeit gegeben, um ihre Ziele umzusetzen. Und verpflichtet sich dabei, “die Gleichstellungsperspektive in alle Politikbereiche der EU” einzubeziehen.
„Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern ist zwar ein wesentlicher Grundsatz der Europäischen Union, sie ist aber noch lange nicht verwirklicht”, erklärt Ursula von der Leyen die Notwendigkeit einer solcher Strategie. “In der Wirtschaft, in der Politik und in der Gesellschaft als Ganzes können wir unser volles Potenzial nur entfalten, wenn wir unsere Kompetenzen und Vielfalt vollumfänglich zum Einsatz bringen. Nur die Hälfte unserer Bevölkerung, unserer Ideen oder unserer Energie einzusetzen, reicht einfach nicht aus. Mit der Gleichstellungsstrategie drängen wir auf mehr und raschere Fortschritte bei der Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen.“
Schaut man sich die europäische Realität der Gleichstellung genauer an, so gibt es von Land zu Land einige Unterschiede. Als besonders geschlechtergerecht haben sich die skandinavischen Länder etabliert. So liegt Schweden im Ranking der beliebtesten Länder für Frauen stabil auf Platz 1, gefolgt von Norwegen auf Platz 2 und Finnland auf Platz 3. Auch im Gender Equality Index (GEI), dem europäischen Gleichstellungsindex, liegt Schweden, diese Mal gefolgt von Dänemark und den Niederlanden, auf Platz 1. Griechenland und Rumänien, gefolgt von den Visegrád-Staaten Ungarn, Slowakei und Tschechien nehmen übrigens die schlechtesten Plätze in diesem Ranking ein. Die Analyse, die vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen herausgegeben wird, wird anhand von sechs Indikatoren gebildet: Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit. Beim Stichpunkt Wissen, also Bildung, belegt Deutschland übrigens einen ausgesprochen schlechten Platz im europäischen Ranking, in nur drei EU-Staaten (Rumänien, Kroatien und Lettland) ist die Ungleichheit stärker ausgeprägt, stellt die globale Datenbank Statista in einem Hintergrundpapier zur Gleichstellung fest.
Die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch entscheidend für die Erreichung sämtlicher Nachhaltigkeitsziele. Wenn Frauen und Mädchen in allen Aspekten des Lebens gleichberechtigt sind, trägt das zur Verringerung von Armut, zur Verbesserung der Gesundheit, zur Förderung von Bildung und zur Stärkung von Gemeinschaften bei.
Auch wenn wir in Europa bei der Gleichstellung in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht haben, zeichnen sich weltweit bei einigen Themen nur wenig Bewegung ab. “In einigen Ländern,” stellt das Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fest, “erfahren Frauen zudem keinen rechtlichen Schutz, da es keine Gesetze gegen Diskriminierung oder Gewalt gegen Frauen gibt. Sie haben dort keine Chance der Benachteiligung, Gewalt und Ausbeutung zu entgehen.”
Dazu kommt: “Auch die Beschneidung von Frauen ist weltweit immer noch ein Problem. Diese Praktik beschränkt sich zwar überwiegend auf ca. 30 Länder, in sieben dieser Länder ist weibliche Genitalverstümmelung jedoch so verbreitet, dass 90% der Frauen davon betroffen sind.” (Quelle: Engagement Global)
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Weltweit sind Frauen in Führungspositionen – sei es in der Wirtschaft oder in der Politik – auf dem Vormarsch. Und so ist inzwischen jedes vierte nationale Parlamentsmitglied auf der Welt weiblich und 28 % – immerhin! – der Führungspositionen sind von Frauen besetzt.
Trotz erheblicher Fortschritte in den letzten Jahrzehnten sind Geschlechterungleichheiten immer noch weit verbreitet. Frauen und Mädchen haben in vielen Teilen der Welt nach wie vor eingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und wirtschaftlichen Ressourcen. Auch Gewalt gegen Frauen ist ein globales Problem, das viele Gesellschaften durchzieht. Frauen sind oft in politischen Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert, und es gibt nach wie vor ungleiche Entlohnung und berufliche Möglichkeiten.
Trotz zahlreicher Fortschritte gibt es immer noch erhebliche Herausforderungen bei der Umsetzung von SDG 5. Kulturelle Normen, tief verwurzelte Vorurteile und mangelnde politische Willenskraft sind Hindernisse, die überwunden werden müssen. Die COVID-19-Pandemie hat außerdem gezeigt, wie geschlechtsspezifische Ungleichheiten in Krisenzeiten verstärkt werden können. Denn in der Regel sind es Frauen, die in Krisenzeiten anpacken und zuhause bleiben.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft gemeinsam daran arbeiten, die Ziele von SDG 5 zu erreichen. Das erfordert nicht nur politische Verpflichtungen, sondern auch konkrete Maßnahmen auf allen Ebenen der Gesellschaft.
Das 5. Nachhaltigkeitsziel der UN ist ein Aufruf zur Aktion für die gesamte Menschheit. Die Geschlechtergleichstellung ist nicht nur eine moralische Notwendigkeit, sondern auch ein Schlüssel zur Schaffung einer nachhaltigen und gerechten Welt. Die Erreichung von SDG 5 erfordert weitreichende Veränderungen in unseren Denkweisen, Strukturen und Verhaltensweisen. Wenn wir erfolgreich sind, werden wir nicht nur die Lebensqualität von Frauen und Mädchen verbessern, sondern auch eine bessere Welt für alle schaffen.
“Eine Gesellschaft, in der Mädchen und junge Frauen ihr volles intellektuelles, soziales und politisches Potenzial ausschöpfen können, ist gleichzeitig auch eine sichere, gesunde und florierende Gesellschaft.”
Julia Gillard, ehemalige Premierministerin von Australien
Wie steht es aus Ihrer Sicht denn heute um die Gleichstellung der Geschlechter?
Hier möchte ich zunächst einmal nur für unser Unternehmen sprechen. Zahlenmäßig sehen wir hier sogar einen deutlich höheren Frauenanteil unter den Beschäftigten als Männer. Insbesondere auch bei den Führungskräften sind mehr als die Hälfte der Stellen mit Frauen besetzt. Zugleich ergeben sich bei bluepartner andere Herausforderungen, denen wir begegnen wollen und müssen. So ist weiterhin eine deutlich höhere Teilzeitquote bei den weiblichen Beschäftigten festzustellen. Unsere Antwort darauf sind flexible Arbeitsmodelle, aber auch besondere Elternschichten, die es ermöglichen Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen.
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Ich sehe definitiv an vielen Stellen noch Handlungsbedarf. Aber als Unternehmen stößt bluepartner hier allein an seine Grenzen. Hier muss seitens der Politik mehr getan werden. So müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die es Frauen erlaubt, weniger in Teilzeit zu gehen. Denn immer noch sind es die Frauen, von denen die Gesellschaft erwartet, dass sie den größeren Anteil der Kinderbetreuung wahrnehmen. Und das heißt für viele nur Teilzeit zu arbeiten. Daran müssen wir gemeinsam mit der Politik arbeiten.
Was tun Sie konkret als Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte bei bluepartner, um den Zielen der Gleichstellung näher zu kommen?
Ich habe stets ein offenes Ohr für die Kolleginnen, sehe mich aber auch insgesamt als Anlaufstelle für alle Mitarbeiter:innen im Unternehmen. Ich setze mich für die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen ein und berate darüber hinaus die Geschäftsführung zu möglichen Maßnahmen, die nicht gesetzlich verpflichtend sind und zu denen sich bluepartner in vielen Fällen freiwillig verpflichtet. Dazu gehören etwa die Möglichkeit zwischen verschiedenen Teilzeitmodellen zu wechseln und bei Bedarf auch wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückkehren. Auch die Weiterentwicklung von geeigneten Fachkräften zu Führungskräften gehört dazu.
Welchen Tipp würden Sie jungen Frauen mitgeben?
Ungleichgewichte lassen sich nicht von heute auf morgen beheben. Deshalb ist es wichtig, dran zu bleiben und sich der eigenen Stärke bewusst zu werden. Für uns Frauen ist es deshalb einmal mehr wichtig, auf uns zu vertrauen, unsere Stärken zu nutzen und uns mit anderen Frauen zu verbünden.
Selbst mit kleine Schritte können wir für mehr Gleichberechtigung im Alltag sorgen. Die zehn wichtigsten Punkte haben wir hier einmal zusammengestellt:
Es ist wichtig zu betonen, dass selbst kleine Handlungen einen Beitrag leisten können. Die kollektive Anstrengung vieler Individuen ist entscheidend, um nachhaltige Veränderungen im Bereich der Geschlechtergleichstellung zu bewirken.
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